Stadtgeflüster Nr. 5

Freiräume, die Glücksmomente bringen!

In einer Stadt leben, in der man sich wohlfühlt – und eine Umgebung – die so gestaltet ist, dass sich Sozialkontakte zwanglos ergeben: Grüne Freiräume in einer Stadt sind nicht selbstverständlich. Dabei wären sie besonders wertvoll für eine lebenswerte Stadt. Wieso, weiss Prof. Dr. Mathias Binswanger. Im Interview mit dem Wirtschaftsökonom und Glücksforscher sprechen wir über die “Investition in Lebensqualität” Eine Stadt mit Freiräumen wie der neu geschaffene in der Zwischennutzung Areal Bach.  


Was kann die Stadt St. Gallen zum täglichen Wohlbefinden seiner Bürger und Bürgerinnen bieten?

Es geht darum, dass Menschen in einer angenehmen Umgebung leben können, wo der Gang nach draussen mit Freude und nicht mit Missmut verbunden ist.

Wie abhängig sind die kleinen Glücksmomente von der unmittelbaren Wohnumgebung?

Sehr wichtig. Kleine Glücksmomente entstehen etwa dadurch, die Sonne am morgen in die Wohnung scheint, oder der Blick in die Natur Freude macht. Aber zentral ist auch, dass die Umgebung so gestaltet ist, dass sich Sozialkontakte zwanglos ergeben und nicht die Vereinsamung gefördert wird.

Die Zivilgesellschaft (auch Quartiervereine und Umweltverbände) wünschen sich den Erhalt und die Förderung von öffentlichen Freiräumen. Sie setzen sich deshalb für einen Freiraum in St. Fiden, Areal Bach ein. Die Stadt hat laut Richtplan dagegen den Auftrag ein Zentrum mit dichter Bebauung zu projektieren. Wie soll mit diesem Gegensatz umgegangen werden?

Was ist das Ziel der Entwicklung der Stadt St. Gallen? Die Schaffung einer Stadt mit möglichst vielen Wohn- und Gewerbeflächen, oder die Förderung einer Stadt, in der sich die Menschen wohlfühlen? Will mann das zweite, dann spielen Freiräume eine wichtige Rolle. Die Stadt St. Gallen war traditionell immer durch solche Freiräume gekennzeichnet, die einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität leisten.

Die Zwischennutzung Areal Bach wertet die nahe Zukunft höher als die spätere Zukunft und ist ein Ort auf Zeit, Lebensqualität auf Zeit. Macht das Sinn?

Ja, das macht Sinn. Wir leben jetzt und brauchen diese Freiräume jetzt. Was nach fünf Jahren sein wird, wissen wir im Moment noch nicht. Denn wir leben zum Glück in einer Demokratie, wo die Menschen auf die Zukunft Einfluss nehmen können.

Lohnen Sich finanzielle Investitionen für ca. fünf Jahre Grünraum?

Wirtschaftlich gedacht: Nein. Aber das wäre genau das falsche Denken. Es geht hier um eine “Investition” in Lebensqualität.

Über 185 Menschen haben bereits Fr. 46`000.- für Baumpatenschaften, Hecken oder Wiesen investiert, die Wirtschaft hat bereits Fr. 550`000.- für die Zwischennutzung in Form von Sachleistungen, Probono-Arbeit und Spenden gesprochen. Wie darf man dieses Zeichen werten?

Es ist ein Zeichen dafür, dass viele Menschen die Bedeutung des Vorhabens erkannt haben und bereit sind, einen Beitrag zu leisten.




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Zur Person 

Prof. Dr. Mathias Binswanger ist Ökonom, Glücksforscher und Autor. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordostschweiz und Privatdozent an der Universität St. Gallen, und in St. Gallen aufgewachsen.